Samstag, 8. September 2012

I'm Walking



Die Woche der Exkursionen? Bislang ein definitives Ja – aber das Jahr ist noch lang. Seit letzter Woche Montag haben wir mit Prof. em. Max Küchler einen neuen Lehrer. Getreu dem Motto "Jerusalem – Geschichte und Archäologie einer Stadt mit der man nicht zu Rande kommt" werden wir von ihm in die Geheimnisse unseres neuen Wohnortes sowohl in Theorie als auch Praxis eingeführt. Sein Werk "Jerusalem - Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt" (von manchen auch liebevoll der "Dicke Küchler" genannt) genießt bei manchen offenbar Kultstatus ("noch mehr verschlungen als die Bibel" Zitat einer DIE-Besucherin).
Eine erste kleinere Wanderung von gerade mal drei Stunden führte uns einmal um die Mauern der Altstadt herum. Diese wurde von Sultan Suleiman dem Prächtigen erbaut und bis heute spiegelt sich seine Konzeption der Altstadt in eben dieser wieder. Die Geschichte der Stadt möchte ich hier nicht wiedergeben – das kann sich jeder selbst anlesen. Wir wurden auf unserer Exkursion auf vielfältige auffällige und unauffällige Besonderheiten aufmerksam gemacht, welche die Geschichte der Stadt in ihren Entwicklungsphasen aufzeigt. Der Beginn war am Zions-Tor, welches mit lauter Einflusslöchern versehen ist. Diese stammen noch aus dem 6-Tage-Krieg und von hier aus wurde die Altstadt erobert. Doch nicht nur die Zeitgeschichte kann aus den Mauern herausgelesen werden. An der Südostecke sieht man noch die kunstvollen herodianischen Steinblöcke und die Tradition will, dass an eben dieser Stelle Jesus vom Teufel versucht wurde. 
Der Mauerabschnitt an welche Jesus
verführt worden wäre, hätte
er nicht dem Versucher standgehalten.
Und auch die Bauweise der Römer, Byzantiner und Kreuzfahrer sind an und um die Stadtmauer herum zu erkennen, sodass ein Zeitraum von gut 2000 Jahre an einer Stelle ersichtlich sein kann (vielleicht auch mehr- meine Konzentration nimmt in der Hitze rapide ab) . Ansonsten ist es natürlich schwierig das Wissen ohne Fachsimpelei und dann auch noch als Laie wiedergeben zu wollen. Allerdings – um eine gewisse Kontinuität zu wahren – sei an dieser Stelle noch das Jaffa-Tor erwähnt. Dieses ist heute nicht mehr in seiner ursprünglichen Form vorhanden, stattdessen ist daneben eine Bresche in die Steinmauer geschlagen worden, durch welche dann Wilhelm II. hoch zu Ross in die Stadt einreiten konnte. Als Edmund Allenby 1917 die Stadt in Besitz nahm, soll er – nachdem er von seinem Pferd gestiegen war und zu Fuß durch das Tor ging – gesagt haben: “Wie kann ich in eine Stadt hoch zu Ross einreiten, in die mein Heiland auf einem Esel geritten ist?”.
 Eine zweite Exkursion führte uns über den Zionsberg. Auch hier fanden sich Spuren auf frühester Zeit. Zum Teil Hellenistisch zum Teil aus der Zeit von Herodes und uns wurden mögliche Interpretationen dieser Funde vorgestellt. Es war festzustellen, dass auch Steine nicht automatisch zur "Wahrheit" führen. Der Einbezug von Schriftstücken hilft weiter, auch wenn diese schnell überinterpretiert und vereinnahmt werden können. So könnte man der Meinung sein, dass die archäologischen Funde die Beschreibung Josephus bestätigen, welcher hierher ein Tor der Essener lokalisiert. Mancher geht so weit und nimmt davon ausgehend  eine Essenische Siedlung am Rande von Jerusalem an. Auch Qumran wird dafür als Beweis herangezogen, die armen Schriftrollen vom Toten Meer müssen aber auch wirklich für alles herhalten… Tja, selbst in der Archäologie wird meistens das beschrieben, was man zu finden erhofft.  Zuletzt besichtigten wir noch die letzten Spuren der Hagia Sion im Keller der Dormitio Abtei. Dass sich neben diesen heutzutage die sanitären Einrichtungen befinden, fand nicht bei allen Zustimmung. Auch die erste Veranstaltung an einem Samstag war eine Exkursion: In der Früh ging es los. Wieder einmal der Stadtmauer entlang Richtung Ölberg; man gewöhnt sich bereits an so manche Strecke. Wieder mal vorbei an der Mauerecke des Tempelbergs, wo Jesus beinahe König von Teufelsgnadentum geworden wäre, blieben wir stehen und schauten in das Kidrontal hinab. Hier war schon seit frühester Zeit der Friedhof der Stadt oder auch die Müllgrube – also für alles gedacht was man entsorgen wollte. Hier stehen auch die Grabanlagen, die der Tradition Zacharias und Abschalom zugeschrieben werden. Etwas weiter davon Richtung Norden findet sich die älteste Stephanus-Gedenkstätte und die Grabeskirche Mariens. Doch bevor wir diese aus der Nähe betrachteten durchschritten wir erst das Kidrontal und gingen in den Garten Getsemani und zur Kirche der Nationen, wo dem Gebet Jesu vor seiner Verhaftung gedacht wird. Die Kirche hat mir sehr gefallen, die Mosaike auf Boden und an der Wand waren schön, ebenso die in Lila gehaltenen Fenster. Zudem war es ruhig und nicht überladen. Aus theologischer Sicht bekamen wir noch erklärt, dass der Ölberg als Teil der Stadt, aber auch Übergang in die Wüste gilt. Wer auf dem Ölberg ist, kann noch verhaftet werden – wer über ihn hinüber steigt, der ist in Sicherheit/Freiheit (vgl. Davids Flucht vor seinem Sohn Abschalom; 2. Sam 15-16). Doch Jesus flieht nicht, obwohl er gekonnt hätte – er bleibt auf dem Ölberg und der Strafapparat setzt sich in aller Konsequenz in Gang. So zeigt sich an diesem Ort mit dieser Tradition auch durch die Lokalität die Bereitschaft Jesu die Passion zu provozieren und anzunehmen.
Von da aus ging es weiter Richtung Dominus flevit – dem Ort an dem Jesus in einer prophetischen Zeichenhandlung über Jerusalem weinte. Man konnte den Ausblick auf die Altstadt richtig genießen, die überfüllte Kirche eher weniger, und sah – wie so manch anderer vor uns – die Schönheit Jerusalems. An dieser Gedenkstätte wurden auch Gräber der Frühjüdischen Zeit gefunden, welche Einblick in die Grabespraxis geben. Es handelt sich dabei um Stollengräber, ein Mischung aus Familiengrab und individueller letzter Grabstätte. Diese konnten wir bei den sogenannten Prophetengräbern auch im Stollen selbst beobachten. Es ging weiter zur Eleona: Diese Kirche war der Geheimen Lehre Jesu gewidmet. Sie hatte aber den strukturell ungünstigen Platz nicht auf dem höchsten Punkt des Ölbergs zu liegen. Somit wurde sie, als die Erinnerungsstätten für die Himmelfahrt erbaut wurden, nicht weiter besucht. Damit war ihr Untergang hin zur heutigen Ruine besiegelt. Heutzutage wird hier an das Vater Unser gedacht, welches in allen(?) Sprachen der Welt auf Tafeln wiedergegeben wird. Zuletzt besuchten wir – vor dem Mittagessen – den lateinischen Gedenkort der Himmelfahrt – heutzutage eine Moschee (denn auch im Islam wird Jesus in den Himmel aufgenommen, allerdings ohne zuvor gestorben zu sein). Hierin findet sich auch ein Stein, der wohl den Fußabdruck Gottes darstellen soll, als er den Tempel verlassen hatte (vgl. Ez 11,22-25; Die Rückkehr erfolgt auch über den Ölberg: Ez 43,1ff). Die Mittagspause machten wir bei den französischen Benediktinerinnen, bei denen ich erneut feststellen musste: auch gesungen kann ich dieser Sprache leider nichts abgewinnen… Die zweite Hälfte des Tages führte uns in das Kidrontal zurück, wo wir nochmals das Mariengrab von innen betrachteten. Um es kurz zu machen: Man fühlte sich an die Geburtskirche zurückerinnert… Da wir in die Grotte des Verrates nicht hineinkonnten, sparten wir wieder einige Minuten. Die letzte Station bildeten die Grabdenkmäler von Abschalom und Zacharias – gewaltige Bauten zur Ehrung einer (Hohepriester-)Familie(?), welche dann mit Traditionen belegt wurden. Das Grabmal wurde lange Zeit als Erziehungsmaßnahme benutzt: Wenn der unartige Sohn eine Lehre brauchte, nahm man ihn mit und bewarf das Grabmal mit Steinen. So sollte wohl dem Kind gezeigt werden, was mit denen passiert, die sich gegen ihre Eltern auflehnen. Hier endeten ein anstrengender Tag und eine anstrengende Woche – immerhin war der Sonntag frei, auch wenn die Einführung des neuen Propstes in der Erlöserkirche nahezu obligatorisch war (zumindest als Protestant^^); und die nächste Exkursionswoche folgte sofort nach…

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